Der Nutri Score ist theoretisch eine tolle Sache, um sich beim Einkaufen zu orientieren. Grün = gut, rot = schlecht. Dabei gibt es jedoch viele kleine Stolperfallen und – sind wir doch mal ehrlich – wer liest sich schon die Beschreibung vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft durch?

Die Unternehmen auf jeden Fall, denn die haben den Nutri Score direkt bei der Einführung durchschaut und ihre Produkte so angepasst, dass auch eine Tiefkühl Pizza oder Cerealien voll mit Zucker anscheinend sehr gesund sind.
Die Grundlagen:
Der Nutri Score wird nur bei verarbeiteten Lebensmitteln aufgedruckt. Frisches Obst oder Gemüse haben das nicht, denn die sind Teil der Bewertungsmethode.
Der Nutri Score ist freiwillig – deswegen sieht man auch viele gesunde Produkte und wenige ungesunde. Einige Firmen sind transparent, was ihre Produkte angeht, andere nicht so sehr.
Der Nutri Score vergleicht nicht alle Lebensmittel miteinander, nur die Produkte innerhalb einer Kategorie. So können auch Chips, Pizza oder Pommes mit einem guten Nutri Score in eurem Einkaufswagen landen.
Der Score wird nicht unbedingt anhand der Kalorien, sondern anhand der Zutaten berechnet. Nüsse, Ballaststoffe, Proteine, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und auch bestimmte Öle sind gut für den Score. Zucker, Salz, gesättigte Fettsäuren und der Energiegehalt sind schlecht.
Und genau da, also bei der Berechnung, fängt die Industrie an zu tricksen. Wir schauen uns das einmal am Beispiel einer TK-Pizza an.
Disclaimer: Kein Lebensmittel ist von vornherein gesund oder ungesund. Es gibt nur eine gesunde oder ungesunde Ernährung. Wenn wir uns generell ausgewogen ernähren, ist es auch ok, eine Pizza zu essen. Nur Pizza zu essen ist jedoch ein Zeichen für eine ungesunde und nicht ausgewogene Ernährung.
Die klassische Pizza besteht meist aus 3 Schichten: Teig, Sauce, Belag. Die „ungesunde“ Pizza mit einem schlechten Nutri Score nutzt einen Teig aus Weißmehl. Die Zutatenliste ist dabei oft recht überschaubar: Mehl, Hefe, Salz, Wasser, Olivenöl. Die laut Nutri Score „gesunden“ Pizzen setzen auf einen Vollkornteig. Die Basis ist gleich wie bei den anderen Pizzen auch, aber man mischt Quinoa und Weizenkeime in den Teig. Das sind Proteine, also gut für den Score.
Damit der Teig aber auch nach Vollkorn aussieht, mischt man Gerstenmalzextrakt rein, denn dunkler Teig ist gesund. Gerstenmalzextrakt besteht jedoch zu einem Großteil aus Maltose – also Zucker, der nicht Zucker genannt werden muss in der Zutatenliste.
Bei der Sauce geht der Betrug am Verbraucher weiter. Natürlich wird eine Tomatensauce genutzt, mit Kräutern, Zuckern und Gewürzen. Dazu kommt Traubenmost – denn das ist Obst und sorgt für einen besseren Score und macht die Sauce süßer.
Dazu werden bei vielen „gesunden“ Pizzen im Belag Erbsenproteine untergemischt. Diese sind nicht für den Geschmack zuständig oder eine vollwertige Zutat, sondern sind einfach nur dazu da, um den Score weiter zu verbessern.
Wenn Teig und Belag fertig sind, fehlt eigentlich nur noch der Käse. Davon darf aber nicht zu viel rauf, denn der besteht aus Fett – vor allem aus gesättigten Fettsäuren, die den Score wieder runter drücken. Also findet man auf einer „gesunden“ Pizza nur halb soviel Käse wie auf einer normalen.
Wenn man die Pizzen nun vergleicht, wird einem auffallen, dass die „gesunden“ Pizzen mit dem Score A viel mehr Ballaststoffe und Proteine haben, aber auch bedeutend mehr Zucker, sodass der Kalorienbedarf bei den Pizzen gleich ist.

Wie ist es also möglich, dass man mit viel Zucker einen vermeintlich besseren Wert erzielt? Der Nutri Score vergleicht die Zutaten und vergibt Punkte. Dabei werden die Lebensmittel kategorisiert, das heißt eine Pizza wird nie mit einem Salat oder einer Suppe verglichen. Wenn in einer Pizza viele Ballaststoffe und Proteine sind, kann man so den Score so weit hoch pumpen, dass man eine „gesunde“ Pizza entwirft – auch wenn sie viel zu viel Zucker hat.
Eines der größten Probleme mit dem Nutri Score kann man da recht einfach erkennen: der Wert, dem Zucker beigemessen wird, ist einfach nicht realistisch. Beim Nutri Score geht man von 90 g Zucker pro Tag für einen Erwachsenen aus. Die Weltgesundheitsorganisation kappt diesen Wert bei maximal 50 g – und unterscheidet dabei auch noch nach Land, Alter, Geschlecht und Ernährungsrichtlinien.
Fazit
Der Nutri Score ist ein schönes Marketing Tool, um hochverarbeitete Lebensmittel gesund darzustellen. Greenwashing mit Zuckerglasur.
Es könnte funktionieren, wenn Ministerien einen ordentlichen Ansatz finden würden und generell mehr Aufklärung über Ernährung betreiben würden. Generell ist es eine gute Idee, jedoch sollte man auch nicht blind bei einem Produkt mit Nutri Score A zugreifen. Ein Blick auf die Zutaten und die Nährwerte lässt einen schnell erkennen, ob bei der Herstellung getrickst wurde, um ein vermeintlich gesundes Produkt zu designen.